Nach Nachgang an das erste digitale Treffen im Juni 2020 hat dankenswerter Weise erneut ein Erfahrungsaustausch zwischen dem Bundesministerium für Justiz und Verbrauchschutz und einer Vielzahl von über 60 Repräsentanten der heterogenen Mediationslandschaft aus Forschung, Ausbildung, Berufsvereinigungen sowie Praktikern stattgefunden.
In diesem Treffen ging es thematisch um
- den Erfahrungstausch zur Entwicklung der Anzahl durchgeführter Mediationen sowie der Art der Durchführung in präsent-analoger oder digitaler Form während der Corona-Maßnahmen;
- eine möglicherweise erhöhte Nachfrage nach alternativer Streitbeilegungsverfahren zu einem Gerichtsverfahren;
- den Erfahrungsaustausch bei der Durchführung von Online-Mediationen und Online-Ausbildung;
- ggf. notwendige Digitalkompetenzen.
Größtenteils berichteten die TeilnehmerInnen von wachsender Anzahl online-gestützter Mediationsverfahren, jedoch ist diese abhängig von der jeweiligen Branche. Gerade in den Bereichen der Bau- und Wirtschaftsmediation seien die Beteiligten durch die Veränderungen in ihrem beruflichen Kontext an die Nutzung digitaler Räume gewöhnt und technisch adäquat ausgestattet. Im privaten Bereich sei dies noch nicht durchgängig der Fall. Hier würde weiterhin der Wunsch nach analog-präsenter Mediation bevorzugt formuliert werden.
Auf die Frage, ob sich die Nachfrage alternativer Streitbeilegung im Vergleich zu gerichtlichen Verfahren erhöht hat, wurde formuliert, dass vielmehr die Tendenz nach mehr streitiger Auseinandersetzung vorhanden wäre und alte Dispute nun den Klageweg finden würden. Es wird mehr gestritten, mehr geklagt und dadurch mehr geurteilt. Als Begründung dient hier die weiterhin vorherrschende fehlende Kenntnis über Mediation und ihre Vorteile.
Festgestellt wird vermehrt, dass in unserer Gesellschaft jedoch ein Kulturwandel hinsichtlich unserer Konfliktkultur zu erkennen wäre. Aus den Hochschulen wird beispielsweise die Erfahrung formuliert, dass jüngere Erwachsene Mediation kennen würden und kein Interesse haben, sich mit Konflikten beschweren zu wollen. Sie wollen lieber gut miteinander auskommen und Differenzen umgehend beilegen, um sich ihrer Aufgaben widmen zu können. Hier sei eine deutliche Hinwendung zu alternativen Verfahren zu verzeichnen.
Um eine Online-Mediation erfolgreich durchführen zu können, ist die Initialisierung des Verfahrens von besonderer Bedeutung. Online-Mediation sollte den Beteiligten als gleichwertige Methode angeboten werden und nicht als schlechtere Alternative. Ein digitaler Raum kann insofern als ein geschützter Raum wahrgenommen werden, dass man sich mit seinem Kontrahenten nicht einen Raum teilen muss. Doch muss man sicherstellen, dass im Hintergrund keine Kamera mitläuft. Ein Verzicht für die Einhaltung der Vertraulichkeit findet in der Eingangsvereinbarung Raum. Eine Ermutigung der Beteiligten sich in einer kooperativen Haltung um eine gemeinsame Lösung zu bemühen schafft ebenfalls eine gute Grundlage und lässt hoffen, dass die Beteiligten den geschützten Rahmen wahren.
Die Online-Ausbildung wird bereits nun seit einigen Monaten erprobt und insgesamt werden neben ein paar Nachteilen auch eine Vielzahl Vorteile festgestellt. Hygienekonzepte sind durch die Distanz vollständig sichergestellt und eine Vielzahl an Inhalten eignet sich zudem auch für Online-Varianten. Die Online-gestützte Ausbildungszeit wird von den TeilnehmerInnen als intensiver wahrgenommen. Die Aufmerksamkeitsspanne verringert sich jedoch dadurch, so dass weitere Pausen notwendig seien.
Der Frage nachgehend, ob eine Anerkennung als zertifizierte Mediatoren durch die online-gestützte Ausbildung gefährdet sein konnte, wurde in Anlehnung an andere Vorgaben wie beispielsweise im Fernunterrichtsgesetz die Unterscheidung formuliert, dass Inhalte synchron oder asynchron vermittelt werden. Ob Online-gestützt oder in einem realen Raum, in beiden Fällen sich die TeilnehmerInnen präsent und interaktiv in einem gemeinsamen synchronen Vermittlungssetting. Für eine rechtliche Sicherheit bedarf es jedoch zurzeit noch einer Entscheidung des Gesetzgebers.
Die Digitalkompetenz für die Durchführung von Online-Mediationen sollte in keinem guten Ausbildungskonzept mehr fehlen, weil diese Vorgehensweise weiterhin genutzt werden wird, nachdem viele Menschen sich dieser effizienten Art des Zusammenkommens ohne lange Wege weiter bedienen werden wollen. Dieser Anforderung müssten sich ebenfalls Ausbilder in ihrer Digitalkompetenz zur Durchführung online-gestützter Lerninhalte ebenfalls stellen.
Fazit:
Die Mediationslandschaft hat etwas dazu gewonnen: die
Wahlmöglichkeiten der Beteiligten werden erweitert um die Möglichkeit,
Mediation zeitnah in Online-gestützter Form zur Verfügung haben zu können. In
der Ausbildung können Inhalte ebenfalls auf diesem Weg und damit verbunden
ebenfalls digitale Medienkompetenz vermittelt werden.
Die nächste Zeit dient der Sammlung von Erfahrungen bezüglich der Durchführung
von Mediationen in ggf. auch hybriden Versionen, um daraus sinnvolle
Anpassungen zur Professionalisierung der Mediation und eventuell auch notwendige
Anpassungen der Rechtsverordnung ableiten zu können.
Noch im Dezember wird in einem weiteren Web-Austausch der Frage nachgegangen, wie man die Pandemie-Situation dazu nutzen kann, den Einsatz von Mediation und anderen Formen außergerichtlicher Konfliktbeilegung zu fördern.
Einen herzlichen Dank an Frau Dr. Larissa Thole, Referatsleiterin Referat R A 1, Mediation, Schlichtung, Internationale Konflikte in Kindschaftssachen am Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Sowohl die Organisation als auch die Moderation der Sitzung in dieser Teilnehmerstärke ist wieder sehr professionell gelungen.